Andreas Giebel sagt von sich selbst, dass er niemals ein politischer Kabarettist sein werde; vielmehr er sei schon immer ein Geschichtenerzähler gewesen. Und genau das ist es, was das Magazin 4-Team und seine Fans an ihm lieben. Andreas beobachtet genau, was sich um ihn herum ereignet und macht daraus viele liebenwerte kleine Geschichten. So war es auch wieder mit „Das Rauschen in den Bäumen“– Eine Reise in die Welt der Eigenbrötler! - und er begeisterte die Menschen im ausverkauften Magazin 4 abermals.

Hier nun der Bericht von Barbara Titze aus dem Reichenhaller Tagblatt vom 23.04.2013

Von Notdurft-Komparsen und politischen Windelträgern

Andreas Giebel präsentierte sein aktuelles Programm „Das Rauschen in den Bäumen“ im Magazin 4

BAD REICHENHALL - Es sind die großen Fragen des Lebens, um die es Andreas Giebel im ausverkauften Magazin 4 geht: Was war, was ist, was wird sein. Und außerdem geht um die vielen kleinen, mal mehr, mal weniger liebenswerten Eigenarten und Gewohnheiten der Menschen, vor allem derer, die in München rund um seinen geliebten „Karl-Dingshammer-Platz“ wohnen.

Das ist sein Lebensmittelpunkt, hier trifft er absonderliche Gestalten in der Kneipe mit dem für Bayern eher weniger typischen Namen „Wesereck“, hier arbeitet der Drogist, dem er sich allein aus Mitleid Dinge abzukaufen genötigt sieht, die er niemals braucht, und hier lebt die schöne Lydia aus dem Blumengeschäft, die durchaus freundlich, manchmal allerdings auch etwas ruppig und hartherzig sein kann: „Soll der Blumenstrauß für die eigene Frau sein oder für was Frisches?“

Keine Mozarts mehr im Technikzeitalter

Von dem Gedanken ausgehend, dass im technisierten Zeitalter kaum noch ein vollauf mit Computer und I-Phone beschäftigter Jugendlicher so genial wie ein Mozart sein kann, dem ja  schon aus lauter Langeweile nichts anderes übrig blieb, als halt mal die Zauberflöte zu komponieren, gesteht Giebel, dass er selber nicht zu den „Checkern und Frühbuchern“ gehört. Er verwechselt gerne mal Namen, hat Schwierigkeiten, Florian Silbereisen und Carmen Nebel auseinanderzuhalten, und immer, wenn es bei der Tagesschau anfängt, interessant zu werden, scheitert er an dem lapidaren Hinweis: „Wenn Sie mehr wissen wollen, dann schauen Sie bitte nach unter www…“ Wenn man heute informiert sein will, muss man sich also selber drum kümmern.

Wie idyllisch ist es doch dagegen in seiner kleinen Welt daheim. Seine Haushälterin aus Kasachstan ist zwar ein rechter Drachen, die kommandiert: „Füße hoch!“, damit sie putzen kann, auch wenn er gerade an seinem neuen Buch sitzt und mit hochgehobenen Füßen partout nicht schreiben kann, aber er erholt sich gerne bei seinem Künstlerfreund, dem Pointilisten Glukowatz, der von ihm schon mal einen Akt als abstrahierter griechischer Pan, gemalt hat. „Kunst muss wehtun“, meint der Maler. Das Publikum ist davon überzeugt, als der Schauspieler verschiedene Posen demonstriert, die er dazu einnehmen musste. Überhaupt ist Giebel ein Bewegungstalent, das man nicht vermutet, wenn man ihn so kompakt und raumfüllend auf der Bühne stehen sieht. Wunderbar, wie er sich im Flugzeug auf einen viel zu schmalen Platz zwängt, wobei leider sein Knie auf der Strecke bleiben muss. „Welcher Innenarchitekt denkt sich denn sowas aus?“ Er tröstet sich mit einem James-Bond-Film, bis er gebeten wird, „die Synchronisation doch bitte etwas leiser zu gestalten, damit andere Fluggäste noch schlafen können“.

Andreas Giebel ist Schauspieler, Komödiant, Geschichtenerzähler und ein Mensch, der seine Artgenossen sorgfältig unter die Lupe nimmt. Er kann ebenso deftig und direkt sein wie feingeistig umschreibend. Nie hat man das Gefühl, er urteile über seine Mitmenschen oder fühle sich ihnen überlegen. Er ist einer von ihnen, skizziert sie liebevoll und gutmütig. Da sitzt er mit dem Penner Klaus auf der Bank unter dem Lindenbaum, lauscht der stets gleichen vorgelallten, von leisen Rülpsern begleiteten Melodie und erkennt zielsicher mal den einen, mal den anderen Song.

Die Wartezeit als Kassenpatient

Er geht zu Dr. Perrenker, wo er als einziger Kassenpatient die zwei- bis dreistündige Wartezeit genießen darf, und fühlt sich gleich besser, wenn dieser ihm eine ellenlange Diagnose mitteilt, die mit „Dystonaler Plastizibophobie“ beginnt und ebenso umständlich wie unverständlich endet. Das ist ihm allemal lieber als dieser ganzheitlich behandelnde Dr. Müller, bei dem er nicht nur für sich, sondern auch noch für die Katze Medikamente erhält. Und das, wo er doch gar keine Katze hat!

Vom Dekorateur zum Kommissar

Er geht gerne einkaufen, auch wenn aus dem „Plus“ ein „Brutto“, „Netto“ und schließlich ein „Minus“ geworden ist. Das begeisterte Publikum begleitet ihn bei seinem Irrweg durch die Knäckebrotgalerie, die Joghurtglasfront und an der Tiefkühltruhe für Alleinstehende vorbei, immer auf der Suche nach den richtigen Tomaten und Kartoffeln. Dabei passiert er mehrere Probierstände, an denen er sich mehrfach Calvados, Cidre, Küstennebel und Blutwurz zu Gemüte führt und marschiert endlos durch den Laden „so weit die Füße tragen“, um schließlich mit guten sechs Kilo Tomaten herauszukommen. „A bisserl verschätzt.“

Man kennt Andreas Giebel aus zahlreichen Fernsehproduktionen wie dem „Café Meineid“, der SOKO 5113 oder dem „Tatort“. Als mürrischer Polizeihauptmeister Xaver Bartl war er in „München 7“ ebenso zu sehen wie als „KHK Prantl“ bei den Rosenheim Cops. Der gelernte Dekorateur, der auch schon als Masseur und Hausmeister arbeitete, spielte unter anderem in mehreren Filmen von Marcus H. Rosenmüller mit, stand mit Urban Priol in gemeinsamen Programmen auf der Bühne und sahnte etliche bedeutende Auszeichnungen wie das Passauer Scharfrichterbeil, den Bayerischen Kabarettpreis und den Deutschen Kabarettpreis ab. Der Vater von vier Töchtern engagiert sich als Schirmherr des Spendenprojekts „Hilfe für Kids“ für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche in München.

Sein Herz für benachteiligte und skurrile Menschen zeigt sich in den Gestalten seines Programms, wenn er für sein Buch die Lebensweisheiten des Antonio Graziana notiert oder sich geduldig die Ratschläge des Professors anhört, der gar keiner ist. Er erzählt von der sechsstündigen Oskarverleihung, bei der „Notdurft-Komparsen“ einspringen, wenn die Stars von einem menschlichen Bedürfnis ereilt werden und ist überzeugt davon, dass die Gäste diverser Talkshows oder politischer Krisengipfel Windeln tragen, um derartige Ungelegenheiten zu vermeiden. 

Schmalzbrot zu Rosamunde Pilcher

Er passt sich beim Essen an das jeweilige Fernsehprogramm an, Blut- und Leberwurst beim Tatort, Schmalzbrot bei Rosamunde Pilcher, verwirft „Der Förster von der Hafenkante“ als Titel für sein Buch und erklärt die bayerische Seele. „Der Bayer hebt sich seine Überschwänglichkeiten für den richtigen Moment auf, auf die Gefahr hin, dass dieser Moment nie eintrifft.“ 

Buchtitel und Trinkspruch

Schließlich sitzt er in den letzten Sonnenstrahlen mit Penner Klaus auf der Parkbank unter dem Lindenbaum. „Wir saßen, umeinander wissend, wortlos nebeneinander.“ Ein schöner Satz. Und ein schönes Ende. Denn endlich findet Klaus den Titel für sein Buch: „Im Rauschen der Bäume.“  Dem Publikum, das begeistert und lauthals Zugaben fordert, gibt Giebel noch einen georgischen Trinkspruch mit auf den Heimweg: „Trinken wir doch heute alle auf unseren Sarg, gezimmert aus 100-jährigen Eichen, die wir morgen pflanzen werden.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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